Soll Deutschland mehr Verantwortung übernehmen – in Europa und in der Welt?

Sieben Thesen zur Diskussion - Von Dr. Otto Schmuck, Vorstandsmitglied und Sprecher der „Arbeitsgemeinschaft Zukunft“ der Union der Europäischen Föderalisten (UEF)

 

1. Als größter und wirtschaftsstärkster EU-Staat hat Deutschland eine besondere Verantwortung für die Europäische Gemeinschaft. Verantwortung wird hier im Sinne des Dudens verstanden als „mit einer bestimmten Stellung verbundene Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass innerhalb eines bestimmten Rahmens alles einen möglichst guten Verlauf nimmt, das jeweils Notwendige und Richtige getan wird und möglichst kein Schaden entsteht“. Diese erweiterten Aufgaben dürfen aber nicht zu einem Wiedererstarken des Nationalismus führen, sondern müssen sich ausdrücken in der Entwicklung und Umsetzung gemeinsamer Konzepte mit anderen EU-Partnern.

 

2. Das Verhältnis der Deutschen zu ihrem Land war lange Zeit auf Grund der besonderen Geschichte nachhaltig gestört. „Europa“ wurde nach dem Ende des 2. Weltkrieges eine Art Ersatz-Vaterland, zumindest für die alten Bundesländer. Es bot den Deutschen nach der bedingungslosen Niederlage des Hitlerregimes eine Wiederein-gliederung in die Völkerfamilie und war aus Sicht der Nachbarn eine Garantie vor einem erneuten Sonderweg Deutschlands.

 

3. Nach der Wiedervereinigung 1990 hat sich das Verhältnis Deutschen zu ihrem Heimatland erkennbar verändert. Die Teilung wurde überwunden, die politische und wirtschaftliche Bedeutung Deutschlands, z.B. im Verhältnis zu Frankreich, Italien und Großbritannien, nahm zu.

 

4. Beigetragen zum veränderten Bewusstsein der Deutschen haben – in anderer Hinsicht – auch die Erfolge der Fußballnationalmannschaft 1990, 1996 und 2014. Die früher kaum zu sehende schwarzrotgoldene Fahne weht seither häufiger und wird stolz auf Autos montiert. Vielfach wird dieses gewandelte Verhältnis der Deutschen zu Deutschland auch als Normalisierung interpretiert.

 

5. Aufgrund seiner besonderen Geschichte ist die Frage nach einer wie auch immer gearteten „Führungsrolle“ Deutschlands in Europa und der Welt noch immer höchst sensibel – für Deutschland und auch für die Partnerländer. Wir benötigen nicht ein „Deutsches Europa“, sondern ein „europäisches Deutschland“, das zusammen mit den europäischen Partnern seiner Verantwortung in der EU und weltweit gerecht wird.

 

6. Die EU hat vieles erreicht: Binnenmarkt, gemeinsame Währung, offene Grenzen, Freizügigkeit, direkt gewähltes Parlament, Anerkennung des Rechts. Es fehlt aber noch die politische Union, die auch außen- und sicherheitspolitisch handlungsfähig ist. Im Sinne einer Rolle als „Zivilmacht Europa“ sollte die EU zur Lösung von internationalen Konflikten verstärkt beitragen und dabei ausschließlich auf diplomatische Lösungen setzen. Eine Rolle als „omnipräsenter Weltpolizist“ wie die USA ist nicht erstrebenswert.

 

7. Die Deutschen sind aufgrund der schrecklichen Erfahrungen zweier Weltkriege besonders skeptisch im Hinblick auf den Einsatz von Militärmissionen. Die inhaltlichen Ausgestaltungen der von Deutschland mitgetragenen europäischen Konzepte sollten deshalb nicht militärische Lösungen sein, sondern die gemeinsamen Werte, vor allem Frieden, Gerechtigkeit und Solidarität, besonders deutlich herausstellen.